Eine Weihnachtsgeschichte
Hope Am Heiligen Abend vor genau 15 Jahren soff sich mein Vater aus meinem Leben. Nach dem zehnten Bier schlug er meinem damals 18-jährigen Bruder mit der Faust voll ins Gesicht und brach ihm das Nasenbein, weil er es gewagt hatte zu sagen, dass er doch bitte keins mehr trinken soll. Ich saß mit meinen 20 Jahren daneben und konnte nur noch weinen. Dann fuhr ich meinen Bruder ins Krankenhaus. Wir haben seitdem kein einziges Wort mehr mit unserem Vater geredet. Er war für uns gestorben. Und Weihnachten hatte seinen Zauber verloren. Vor einem Jahr erfuhren wir, dass er einen Gehirntumor hatte, der nicht operiert werden konnte und der schnell wuchs. Mein Bruder wohnte mittlerweile in Hamburg, aber er sagte sofort zu, als ich ihn fragte, ob wir gemeinsam zu ihm fahren sollen. Doch wir hatten die Rechnung ohne Vater gemacht. Mutter sagte mir mit gebrochener Stimme am Telefon, dass er keinen Besuch ins Haus lassen würde. Ein halbes Jahr später kam meine Tochter Emma zur Welt. Ihr Vater hatte uns zwei Wochen vor der Geburt verlassen, weil ihm „die Verantwortung zu groß“ war. Irgendwie geriet ich immer an die größten Löschblätter ... Trotz allem betete ich jeden Tag, dass sie ihren Opa wenigstens noch einmal sehen dürfte, bevor er starb. Es war mir sehr wichtig, aber ich verstand nicht, warum das so war, weil ich ihn ja eigentlich hasste und verachtete. Doch alle „Anfragen“ von meiner Seite, ob wir ihn besuchen dürften, wurden gnadenlos abgelehnt. Im Herbst ging ich ins Tierheim und holte mir eine wunderschöne, aber sehr scheue Golden Retriever-Dame, die von ihrem Besitzer im Zwinger gehalten und geschlagen worden war. Ich nannte sie Hope, weil ihre Augen trotz ihres Schicksals ein hoffnungsvolles Leuchten hatten. Sie ließ sich nie von mir streicheln und hielt immer mindestens einen Meter Sicherheitsabstand, aber ich hatte in ihren Augen sofort gesehen, dass sie ein herzensguter Hund war, was sich dann auch bestätigte. Emma liebte Hope, aber auch sie durfte sie nicht anfassen. Dafür lachte sie sie immer aus ihren wunderschönen Äuglein an, wenn sie in ihrer Nähe war.